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Sky-Doku über die Relotius-Affäre

Der "Spiegel"-Abschlussbericht zur Fälschungsaffäre Relotius. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Marcus Brandt/dpa)
Es war ein GAU für den «Spiegel» und ein Schlag für den Journalismus insgesamt: 2018 erschütterte die Affäre um den Fälscher Claas Relotius die Medienbranche. Sky dokumentiert den Skandal nun.

Für das Ansehen des Journalismus in Deutschland war es ein Schlag, für Deutschlands traditionsreichstes Nachrichtenmagazin war es der GAU: Der Skandal um den Fälscher Claas Relotius beim «Spiegel» erschütterte 2018 die Medienbranche. Sky zeigt von diesem Freitag (24. März) an eine bemerkenswerte Dokumentation über den Fall. Der Titel: «Erfundene Wahrheit».

Der Film beginnt mit einem jungen Mann, der aus dem Off zu sprechen beginnt. Über seine Probezeit beim «Spiegel». Darüber, wie aufgeregt er war. Der Zuschauer könnte denken, es ist Relotius, der da über seine Anfänge beim Hamburger Magazin spricht.

Relotius gilt als Wunderkind

Doch es ist nicht der Mann, der schweigt, seit bekannt wurde, dass er fast alles, was er für den «Spiegel» schrieb, frei erfunden hat. Es ist der Lokaljournalist Dennis Betzholz, der da spricht. Betzholz war damals beim Probearbeiten für den «Spiegel» gegen Relotius angetreten – und hatte den Kürzeren gezogen gegen das vermeintliche Wunderkind. Die falsche Entscheidung, wie man heute weiß.

«Ein Riesen-Systemversagen» sei das, was vor seiner Zeit als Chefredakteur da mit Relotius und dessen gefälschten Reportagen beim «Spiegel» passiert sei, sagt der heutige Chefredakteur Steffen Klusmann in der Dokumentation. Er spricht von einem «Nackenschlag». Er sagt: «Das erschüttert die Grundfesten.»

Über Relotius‘ Reportagen sagt Klusmann rückblickend: «Solche Geschichten gibt es wirklich nur im Märchen – oder in Hollywood.» Sehr geschickt schneidet die Dokumentation die Reportagen von Relotius – aus dem Off von einen Sprecher vorgelesen – mit Bildmaterial der Orte, die er angeblich beschreibt, gegeneinander, um zu zeigen: Hier stimmen die einfachsten Dinge nicht.

Es gab früh Hinweise auf Fälschungen

Neben Klusmann kommt auch Juan Moreno zu Wort, Relotius‘ früherer Kollege, der den Betrug bezeichnenderweise durch hervorragende journalistische Recherche aufdeckte und sich lange an den «Spiegel»-Verantwortlichen, die das alles nicht wahr haben wollten, die Zähne auszubeißen drohte.

«Das Bild war einfach zu schön. Und das bricht jetzt alles zusammen, weil dieser Scheiß-Spanier uns hier in die Suppe kackt», ist für den Fotografen Mirco Taliercio, der den Skandal mit Moreno aufdeckte, die Erklärung dafür, warum bei Deutschlands führendem Nachrichtenmagazin, das «Sagen, was ist» zu seinem Wahlspruch erhoben hat, in Bezug auf Relotius lange niemand sehen wollte, was ist.

Eine Szene zeigt eine der vielen Preisverleihungen, bei denen Relotius in seiner kometenhaften Karriere geehrt wurde. Die Jury habe festgestellt, «dass es ja eigentlich Literatur ist». «Schreiben Sie das einfach so hin?» wird Relotius gefragt. Hiding in plain sight nennt man so etwas im Englischen (etwa: sich vor aller Augen verstecken).

Es habe von außen nie Hinweise gegeben, sagt Chefredakteur Klusmann. Eine Aussage, die mit denen des kurdischen Kameramannes Syara Kareb kollidiert. Denn der gibt an, «Spiegel TV» schon 2017 darüber informiert zu haben, dass Relotius einen Jungen in einem Gefängnis im Nordirak nie getroffen hatte. Relotius hatte über ihn die Reportage «Löwenkinder» geschrieben, nachdem der Junge gemeinsam mit seinem Bruder ein Selbstmordattentat geplant – und es dann, anders als sein Bruder, nicht verübt hatte.

Als Kareb diesen Jungen später für «Spiegel TV» interviewte, habe der angegeben, nie mit Relotius gesprochen zu haben. Sein entsprechender Hinweis an Hamburg sei aber offensichtlich nicht gehört worden, sagt Kareb – denn Relotius fälschte dort noch anderthalb Jahre weiter.

Der «Spiegel», um Ansehen und Image bemüht, hat den Skandal nach eigenen Angaben aufgearbeitet, eine Kommission dazu eingesetzt – auch mit internen Mitarbeitern und einen Abschlussbericht dazu veröffentlicht. In der Dokumentation kommt der Compliance-Experte Paul Milata zu Wort. Der meint, wie der «Spiegel» mit der Sache umgegangen sei, sei «weit entfernt von einem normalen Vorgehen». Das Magazin hätte demnach «deutlich mehr machen müssen».

Von Britta Schultejans, dpa