Eigentlich darf die 19-jährige Lill (Hannah Schiller) wegen ihrer schweren Allergie die Wohnung ihrer Familie nicht verlassen. Doch ihre Stiefmutter Tessa (Silke Bodenbender) findet die edle Altbauwohnung beim Nachhausekommen verwaist vor. Keine Lill, keine Nachricht, das Fenster offen, auf dem Laptop nur die Gesichter von zwei Chatfreunden. Tessa fleht die Teenager im Computer an, ihr zu helfen. Doch ihr schlägt nur Herablassung und Zynismus entgegen. Was ist hier los?
Die neue Serie «Die nettesten Menschen der Welt» ist wie eine Wendeltreppe hinab in einen finsteren Alptraum. Der kann übrigens überall stattfinden: auch mitten im Bewerbungsgespräch eines Food-Konzerns unter den Augen des Personalers (Fabian Hinrichs).
«Die nettesten Menschen der Welt» ist die deutsche Antwort auf Mystery- und Gruselserien wie «Black Mirror», «Twilight Zone» oder «Outer Limits» – und das Ergebnis ist herausragendes Fernsehen.
Die tolle Serie läuft erst zur Geisterstunde
Am 21. Juli gehen die sechs kurzen Episoden online. In der Nacht vom 23. auf den 24. Juli folgt die TV-Ausstrahlung. Leider traut sich die ARD offensichtlich nicht, solch teilweise recht harten Tobak zur besten Sendezeit zu präsentieren, um 20.15 Uhr zeigt man lieber einen alten Berliner «Tatort». Der Marathon für «Die nettesten Menschen der Welt» beginnt erst um 0.05 Uhr – passenderweise zur Geisterstunde.
NDR, BR, Degeto und Partner haben hier die erste Garde der deutschen Schauspielbranche zusammen mit viel versprechenden Nachwuchsstars versammelt und ihnen erstklassige Drehbücher gegeben. Um drei Stars herauszugreifen: Grimme-Preisträgerin Silke Bodenbender («Irgendwann werden wir uns alles erzählen») zieht alle Register und stellt das Publikum vor die Frage, ob sie Opfer oder Inbegriff des Bösen ist.
Fabian Hinrichs (Franken-«Tatort») glänzt in der Rolle des heiteren Dämons. Und Stephanie Amarell («Das Haus der Träume») möchte wohl niemand als Gegnerin im Job-Interview erleben. Was steckt dahinter? Nach und nach entwirren die Macher die Handlungsfäden in diesem Pandämonium. Tocotronic-Sänger Dirk von Lowtzow steuert nicht nur den melancholischen Soundtrack bei, er spielt auch gleich mit.
Die ARD betont: «Anders als in der britischen Streaming-Serie „Black Mirror“ – die für das Format unter anderem Vorbild war – werden keine fernen Zukunftsszenarien beschworen, sondern Themen der Zeit verhandelt – auf unterschiedliche Art – spannend, unterhaltsam und stets unvorhersehbar.» Die erste Staffel handelt von der Macht der Fantasie, kündigen der Regisseur, Autor und Produzent Alexander Adolph sowie die Autorin und Koproduzentin Eva Wehrum in einem Statement an: «Ein paar unserer Heldinnen und Helden haben sehr viel davon, eine oder einer zu wenig – und das wird anderen Menschen zum Verhängnis. Mitunter aber auch unseren Heldinnen und Helden selbst.»
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