Blauwale mit eingepflanzten Hightech-Kameras. Oder Models, die auf Weltreise gehen. Im französischen La Rochelle zeigen Dokumentarfilmer ihre besten Arbeiten. Dort trifft sich auf der «Sunny Side of the Doc» gerade die internationale Doku-Branche.
Im Fokus steht der Trend zu millionenschweren Mega-Produktionen. Aber auch die Notwendigkeit, international zusammenzuarbeiten, um dafür die millionenschweren Budgets zu stemmen, ist ein Riesenthema. Der TV-Marktplatz beginnt am Montag und läuft noch bis zum Donnerstag.
Ein Beispiel für eine dieser Edelproduktionen ist «Die Zeit – eine Reise durch die Jahrtausende». 1,2 Millionen Euro soll die deutsch-chinesische 80-minütige Koproduktion gekostet haben. Sie soll dem Publikum mit spektakulären Bildern und ungewöhnlichen Geschichten «die Bedeutung der Zeit für die menschliche Zivilisation und Lebensweise» vor Augen führen.
Von Mördern, die die Zeit einfrieren
Von «einem herausfordernden Projekt» spricht der zuständige ZDF-Redakteur Jens Monath: «Denn wie macht man Zeit für das Fernsehen sichtbar?» Dafür seien bemerkenswerte Geschichten gefunden worden, etwa «von einem Mörder, der die Zeit eingefroren hat». Ende August wird die Dokumentation auf Arte zu sehen sein, im November beim ZDF.
Noch aufwendiger ist «The Americas»: Aus Sicht eines Blauwals wird ein Schwarm dieser gigantischen Säugetiere beim Tauchgang in den Tiefen des Ozeans begleitet. Es sind erste imposante Ausschnitte aus der kostspieligsten Natur-Doku, die der US-Sender NBC Universal in Zusammenarbeit mit der BBC jemals gedreht hat.
Hollywood-Star Tom Hanks wird bei dem Millionen-Projekt zum ersten Mal als Sprecher auftreten. Im nächsten Jahr wird der Zehnteiler sicher auch bei uns zu sehen sein. «The Americas» oder «Die Zeit» liegen jedenfalls im Trend.
Das zeigt gerade auch «Sunny Side of the Doc». Auf dem wichtigsten Marktplatz für Dokumentation in La Rochelle sind aktuell um die 2000 Verantwortliche von Sendern sowie Produktionsunternehmen aus mehr als 60 Ländern unterwegs, um neue Projekte vorzustellen oder anzuschieben.
Eine Million Euro pro Stunde
«Es gibt Mega-Produktionen, die kosten über eine Million Euro pro Stunde», berichtet etwa Jens Richter, Geschäftsführer international bei der Produktionsfirma Fremantle. «Als wir «Planet Sex mit Cara Delevingne» gemacht haben, war es noch mehr – mit einem Star sowie einem Team, das um die ganze Welt reist.»
In der sechsteiligen Dokuserie war Weltklasse-Model Delevingne um den Erdball unterwegs. Sie ging der Frage nach, wie mit Sexualität in verschiedenen Kulturen umgegangen wird und wie sehr kulturelle Vorstellungen unser Bild von Geschlecht prägen und beeinflussen. Für das Londoner Unternehmen hat es sich gelohnt: Die Reihe verkaufte sich in gut 100 TV-Märkte. In Deutschland streamte sie RTL+.
Branche boomt, aber schwierige finanzielle Situation
Allerdings: Auch wenn das Genre boomt, steht für die Akteure immer weniger Geld zur Verfügung. «Die finanzielle Situation wird immer schwieriger», beschreibt Messechef Mathieu Béjot die Lage. «Man muss internationale Partner finden, größere anspruchsvolle Vorhaben sind im eigenen Markt überhaupt nicht machbar», sagt er im dpa-Interview.
Insbesondere deutsche öffentlich-rechtliche Sender seien dabei zu einem «Felsen in der Brandung» geworden, wie es die Redaktionsleiterin von «Terra X», Friederike Haedecke, formuliert. So werden die Mainzer zusammen mit der BBC sowie France Télévisions nach 25 Jahren jetzt die Erfolgsreihe «Walking with Dinosaurs» fortsetzen.
Dass aber auch immer wieder «gutgemachte Dokus aus Deutschland» weltweit ankommen, darüber freut sich Elina Kewitz. Mit ihrem Vertrieb «New Docs» hat sie während der Messe «Europa glüht – Wie Hitzewellen unser Leben verändern» nach Österreich, Schweiz, Irland, Kanada und den Mittleren Osten verkauft.
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